Wuzzeln

Tischfußball spielen, Kickern, balankern, Babyfoot, Foosball…

Der Wuzzler hat sich seit seiner Erfindung im 20. Jahrhundert auf der ganzen Welt verbreitet. Hierzulande spielen nach Informationen des Tischfußballbundes Österreich bis zu 25.000 Menschen regelmäßig, die Hotspots sind Wien und Graz sowie im Vereinssport international sehr erfolgreiche Regionen wie das niederösterreischische Pielachtal.

Je nach Region gibt es unterschiedlichste Bezeichnungen, Materialtraditionen und Gepflogenheiten. Das Spielprinzip ist aber immer dasselbe: schieß mit – mehr oder weniger – gekonnten Spielzügen viele Tore und verhindere, selber welche einstecken zu müssen. Gewuzzelt wird auf unterschiedlichsten Niveaustufen, von reinen Gelegenheitsspielen bis hin zu Weltmeisterschaften. Das Wichtigste für viele Wuzzler:innen aber bleibt auch in Wien: jede Menge Spaß zu haben!

LOCI – @D.E.R. Location

Regeln

Je nach regionaler Tradition, Niveaustufe und Kontext können unterschiedliche Regeln für möglichst gerechte Spiele zum Einsatz kommen.
In Wien sind das außerhalb des Turniergeschehens die häufigsten:

Nicht durchdrehen

Eine eiserne Regel, die wohl die ganze Fußballwelt vereint: Die Stangen so wild zu kurbeln („durchzudrehen“), dass sich deine Spieler:innen um mehr als 360° um ihre eigene Achse drehen, ist tatsächlich das einzige No-Go beim Wuzzeln.

Regeln zu Spielbeginn klären

Klare Empfehlung zu Beginn einer Partie, vor allem wenn man es mit neuen Mitspieler:innen oder Gegner:innen zu tun hat: Am Anfang abklären, welche Regeln – neben dem Durchdreh-Verbot – man dem Spiel auferlegt.

Aufteilen

„Mit Aufteilen?“ hörst du bei der anfänglichen Regelabstimmung in Wien oft. Aufteilen bedeutet, dass die Seite, die gerade ein Tor einstecken musste, als nächstes den Ball in der Mittelfeldlinie bekommt, um das Spiel wieder anzustoßen. Eine – ebenfalls zu Beginn zu klärende – Variante bei etwas fortgeschritteneren Spieler:innen ist, dass der Ball anschließend erst dreimal von Figuren der eigenen Mittellinie berührt werden muss, bevor man ihn an die eigene Sturmlinie oder Verteidigungslinie weiterzugeben versucht.

Mitte

„Mit Mitte?“ ist die Frage, ob von der Mittellinie geschossene Tore gezählt werden oder nicht. Eine in Wien dazu häufig anzutreffende Variante sieht vor, dass ein direkter Torschuss aus der Mitte nach Anstoß nur dann zählt, wenn vorher zumindest zwei Ballkontakte mit anderen Figuren erfolgten. Eine andere, etwas aus der Mode gekommene Regel wiederum besagt, dass Tore aus der Mitte sogar mit einem Tor Abzug zu bestrafen sind. Auch hier gilt: Am besten vor Spielbeginn die Regeln vereinbaren.

Verteidiger:in hat den Ball

Fliegt der Ball – etwa nach einem heftigen Schuss – vom Tisch, bekommt ihn grundsätzlich die Seite, die bei der letzten Aktion in verteidigender Position war. Lässt sich das nicht eindeutig feststellen, weil der Ball gerade zwischen einer der mittleren Stangen unterwegs war, kann er neutral im Mittelfeld eingeworfen werden – oder wird hier der Seite übergeben, die ihn zuletzt berührte.

Garlando, Leonhart & Co.

Wenn du schon an unterschiedlichen Orten gespielt hast, weißt du, dass Wuzzler nicht gleich Wuzzler ist. Zunächst betrifft das die Marke des Tisches.

In vielen Wiener Lokalen spielt man auf Tischen des italienischen Herstellers Garlando. Diese international sehr erfolgreichen Tische sind robust, machen viel Spaß und eignen sich zugleich für hochkompetitive Spiele, bis hin zu Weltmeisterschaften. Immer wieder trifft man in Wien auch auf Tische des deutschen Herstellers Leonhart, die insbesondere im Turnierbereich sehr beliebt sind. Sie sind etwas flotter, erlauben eine andere Art von Präzision und Ballkontrolle und machen nicht weniger Spaß. Vereinzelt sind darüber hinaus auch andere Tischmodelle wie die in den USA beliebten Tornados zu finden.

Oft noch entscheidender für das Spielvergnügen ist allerdings eines: der Zustand des Tisches. Es gibt viele Lokale in Wien, die in einem schummrigen Eck einen Wuzzler aufgestellt haben, um ihren Besucher:innen etwas zusätzliche Unterhaltung zu bieten. Leider belassen es viele Lokalbetreiber:innen aber dabei und vernachlässigen die Pflege ihres Tisches weitgehend. Schmutzige Bälle, ungeölte oder gar verbogene Stangen und schiefe Platten gehören daher leider auch in Wien zum Alltag vieler Wuzzler:innen.

Dichter, Erfinder & Superstars

Kleine Geschichte des Tischfußballs

Umschwärmte Bar-Wuzzler, gefeierte Turnierspieler:innen und beliebte Magazine wie “Foos Noos”: In seiner goldenen Ära war Tischfußball – besonders in den USA – ein Massenphänomen. Auch wenn diese glanzvollen Zeiten vorbei sind, hat sich das Wuzzeln weltweit etabliert und begeistert mehr als hundert Jahre nach seiner Erfindung Millionen von Menschen auf allen Kontinenten.

Wuzzel-Auflauf in Slowenien, 1961. © Wikimedia Commons

Erfinder:in gesucht

Wann und wo Tischfußball entstand, ist nicht restlos geklärt. Erste Patente für ein Spiel mit an einer Stange aufgereihten Fußballiguren, das Salon-Besucher:innen unterhalten sollte,  wurden bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts in Europa und den USA eingereicht. Als aussichtsreichste Kandidaten für die Urheberschaft des Tischfußballs gelten allerdings der französische Ingenieur und schillernde Unternehmer Lucien Rosengart, der spanische Dichter und Erfinder Alejandro Finisterre, der auch einmal mit Revolutionär Che Guevara gewuzzelt haben soll, sowie der Londoner Harold Thornton in den 1920 und 1930er Jahren. Sie entwickelten und verfeinerten die technischen Grundlagen der heute gängigen Spielgeräte.

Tischfußball-Turnier in Minnesota. © „Foos Noos“, Mai 1977

Die goldene Ära

Große Popularität erreichte das Spiel erst nach dem Zweiten Weltkrieg. In mehreren europäischen Ländern nahmen Unternehmen die Produktion eigener Tische auf, etwa “Kicker” in der Schweiz, “Leonhart” in Deutschland, “Garlando” in Italien und „Bonzini“ in Frankreich. Turniere und Verbände wurden europaweit organisiert, sowohl in Bars als auch als Sportart war das Hobby auf dem Vormarsch. Den bisher größten Boom erlebte das Wuzzeln allerdings in den 1970er Jahren in den USA: Der in Deutschland stationierte US-Soldat Lawrence Patterson nahm nach seiner Rückkehr in die Heimat seine Begeisterung für das Wuzzeln mit – und leitete damit die Goldene Ära des Tischfußballs ein. Wettbewerbe mit Preisgeldern in Höhe von bis zu einer Million Dollar, mediale Begleitung durch Magazine wie „Foos Noos“ und begeisterte Massen katapultieren das in den USA als “Foosball” bezeichnete Hobby in eine andere Dimension. Der Rausch währte allerdings nur kurz: Anfang der 1980er Jahre liefen Arcade-Videospiele wie Pacman, die Aufsteller:innen und Lokalbetreiber:innen deutlich höhere Umsätze versprachen,  dem Tischfußball in kurzer Zeit den Rang ab. 

© Pexels.com/Mikhail Nilov

Global & lokal

Trotz des unaufhaltsamen Siegeszugs von Videospielen ist Tischfußball allerdings keineswegs von der Bildfläche verschwunden. Sowohl in Lokalen als auch im sportlichen Bereich erfreut sich das Wuzzeln weltweit nach wie vor großer Beliebtheit – wenn auch vielfach abseits des medialen Rampenlichts. Initiativen wie die Schaffung der International Table Soccer Federation (ITSF) im Jahr 2002, die internationale Turniere auf höchstem Niveau organisiert, verfolgen das Ziel, das Wuzzeln international zu fördern, Regeln zu vereinheitlichen und Strukturen zu professionalisieren.

Auch in Österreich, wo das Wuzzeln „lange ein Volksspiel, aber kein Volkssport“ gewesen ist, wie Wolfgang Breuer vom Tischfußball Österreich im Gespräch mit Wiener Wuzzler festhält, bemüht man sich darum, genau das nachzuholen – und vereinssportliche Strukturen in das Tischfußballgeschehen zu bringen. International höchst erfolgreiche Klubs, eine Vielzahl von Wettbewerben sowie immer noch zahlreich aufgestellte Wuzzler in Städten wie Wien und Graz zeigen, wie viel Spaß Menschen weiterhin am Wuzzeln haben. Und das auch über 100 Jahre nach dessen Erfindung!

Medienberichte zum Wuzzeln

Willst du mehr über das Wuzzeln lesen? Dann findest du hier ein paar Tipps:

DerStandard.at (2021)

DiePresse.com (2023)

Puls24.at (2023)